Dienstag, 12. April 2016

Tag 2: "In Buckow geht die Lunge auf Samt..."

Tag 2: 07.04.2016
7 h / 28 km
Werneuchen nach Buckow

Ich gehe heute überhaupt nicht auf Samt...Erstaunlicherweise habe ich kaum Muskelkater, obwohl ich gestern deutlich gespürt habe, wie meine Oberschenkel übersäuern. Trotzdem ist der Weg zum Frühstück eher ein Humpeln als ein Hüpfen, dank 2-3 veritabler Blasen pro Fuß. Während meiner schlaflosen Nacht habe ich den Rucksack entrümpelt und zwei Taschen voller Klamotten und Kleinkram aussortiert. Gemessen daran, wie schwer mir manche Einzelentscheidung gefallen ist, fühlen sich diese zwei Taschen bei Weitem nicht schwer genug an, um mich wirklich zufrieden zu stellen. Wir schätzen so 2 bis 3 kg, Monsieur wird das zu meiner Motivation zuhause nochmal nachwiegen (und dabei sanft den rechten Handballen mit auf die Waage legen). Immerhin: Es ist ordentlich Volumen, was ich damit zurücklasse und plötzlich geht der Rucksack ein kleines bißchen leichter zu, die Zeltstangen können jetzt auch platzsparend hochkant am Rucksack befestigt werden und alle paar hundert Meter Weg fühlt sich das Gewicht auf meinem Rücken etwas weniger bedrückend an.
Monsieur bringt mich noch bis zum Ortsausgang von Werneuchen (was sich dank der Neubaugebiete richtig in die Länge zieht), wir verabschieden uns und ich zuckele die hutzelige Allee hinunter, die in Schlangenlinien auf das Feld hinaus führt. Ein paar hundert Meter weiter entscheide ich mich, wirklich konsequent durchzugreifen: Meine guten alten trusty Wanderstiefel müssen her - also die Stiefel, mit denen ich die Tour von Spanien bis Berlin beendet habe. Ich rufe Otti an, um ihn zu überreden, mir die Dinger quasi jetztgleichsofort nach Strausberg oder Buckow zu bringen, aber ich muß nicht lange quatschen, denn er ist sowieso auf dem Weg in den Garten und sofort bereit, einen Umweg zu machen.

In Wesendahl setze ich mich auf eine Bank neben der Kirche, eine Viertelstunde später fährt Otti mit meinen Wanderstiefeln im Kofferraum vor. Er hat sich nen Kaffee und mir nen Tee mitgebracht, offensichtlich von genau dem Autobahn-McDonalds in Blumberg, an dem ich gestern vorbeigelaufen bin. Welch Ironie des Schicksals... Ich schlüpfe in meine alten Stiefel und spüre sofort, daß sie anders passen. Besser! Wir sitzen noch ein bißchen neben der Kirche, schlürfen beide ein Heißgetränk, ich schöpfe neuen Mut für die nächsten Tage und bin glücklich.

Später im Wald stelle ich entsetzt fest, daß ich schon wieder aus Versehen auf dem Jakobsweg laufe. Keine Ahnung, wo der schon wieder herkommt oder hinwill, aber ich hatte eigentlich gehofft, daß das "Jakobsweg-Risiko" nach Osten hin abnimmt... Ich schlage mich bei nächster Gelegenheit auf einen kleinen Pfad durch den Wald in Richtung Strausberg, um den Weg zur Fähre über den See abzukürzen. Es geht sich immer noch schmerzhaft, aber die Entscheidung zu Stiefeltausch fühlt sich goldrichtig an. Die Stellen, die bisher am schlimmsten geschmerzt haben, geben plötzlich Ruhe. Es tut dafür zwar an anderen Ecken weh, allerdings weniger stark. Also insgesamt ein guter Deal.

Am Anleger sitze ich noch ein bißchen rum, bevor die Fähre angezuckelt kommt. Der Fährmann verkauft mir ne Cola für die Überfahrt und vom Wasser aus sieht Strausberg plötzlich nicht mehr wie die öde Endhaltstelle der S5 aus, sondern wie eine herausgeputzte Kleinstadt mit Stadtmauer, Badeanstalt und Eiscafé gleich neben dem Fähranleger. Aber ich kann alle Berliner beruhigen: Das hört gleich dahinter wieder auf...

Der Blick auf die Wanderkarte ließ schon Böses erahnen: Keine ordentlichen Wege zwischen Strausberg und Buckow. Nachdem ich mit Rücksicht auf meine schmerzenden Füße keine weiten Umwege laufen mag und momentan auf glattem Asphalt besser klarkomme als auf feldsteingepflasterten Wegen, entscheide ich mich für die freudlose Variante: Neben der Straße auf dem Radweg. Erst nach gut eineinhalb Stunden biege ich in Hohenstein auf einen Feldweg ab und lasse die Autos, die Blicke, den Asphalt hinter mir.

Später im Buckower Talkessel wird plötzlich alles wieder lieblich. Hügel, der nächste Eisladen, Dorf mit Mühle. Meine Unterkunft ist wirklich "out of the ordinary" und ich bin froh, nicht in irgendeinem Landgasthof gelandet zu sein, in dem der Schnitzelgeruch mir noch Abends mit aufs Zimmer folgt. Ich suche mir aus dem reichhaltigen Angebot der Buckower Gastronomie was aus, verspeise ein sehr leckeres Abendessen und blinzele in die untergehende Abendsonne. Noch bin ich zwar zu kaputt, um mich richtig zu freuen, aber nach dem Downer-Tag von gestern folgte heute die sanfte Ermutigung: Das kann noch richtig schön werden. Noch zwei Tage bis Polen, die nächste Grenze. Diesmal eine Richtige...

2 Kommentare:

  1. Kilian, alte Hundelunge,

    Weißt Du, dass das richtig schön ist, Dich wieder hier zu lesen? Du wanderst ja für uns alle. Quasi.

    Ich wünsch Dir Gehen ohne Leiden und schrumpfende Blasen.

    Beste Grüße,
    Miehe

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  2. Hey Kilian, das Wandern mit dir ist wieder mal eine Wucht. Manchmal habe ich sogar Schmerzen in den Beinen, weil ich wirklich dabei bin.
    Mach weiter so. Ich freue mich auf das Weiterlesen.
    Liebe Grüße Sonja

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