6,5 h / 25 km
Kostrzyn nad Odrą nach Witnica
Hätte ich mein Tankstellenhotel letzte Nacht wirklich doof finden wollen - Argumente hätte es genug gegeben. Ich hab das Loser-Zimmer gleich neben der Rezeption bekommen, quasi noch im Treppenhaus (was gleichbedeutend ist mit: ständig Action). Draußen auf dem Parkplatz liefen diverse Dieselaggregate der geparkten Kühllaster. Irgendwer hat sich am Abend draußen vor meinem Fenster noch gekloppt. Aber wozu gibt es Oropax und adaptive Erwartungshaltungen..?
Der Morgen präsentiert sich kalt und grau. Keine 200m vom Hotel entfernt ziehe ich schon wieder über den nächsten großen Fluß, die Warthe. Trotz sonntäglicher Frühe sitzen überall die Angler und rauchen gegen die klamme Morgenkälte an. Der Kreisverkehr hinter der Warthebrücke ist nahezu das Einzige, was ich vom neuen Küstrin sehe; ein Typ im Audi A8 hört so laut Modern Talking, daß ich noch 12 Meter weiter den Text mitsingen könnte (den ich aber natürlich sowieso auswendig kann). Es fängt ganz vorsichtig an zu regnen und als ich am Pumpwerk Warniki von der Straße in Richtung Nationalpark Warthemündung abbiege, kommt ein ständiger kalter Wind aus Nordost dazu, der mich den ganzen Tag begleiten wird.
Im südlichen Teil des Nationalparks steht das Wasser. Diverse Infotafel verkünden Großes: Neben allen möglichen Vogelarten werden Biber, Fischotter, Seeadler und ähnlich schickes Getier angepriesen. Außer tonnenweise Enten, allerlei Gänsen, Reihern und was man halt sonst noch als Nicht-Ornithologe an Wasservögeln einordnen kann, sehe ich davon -- eher nix.
Nachdem ich von dem öden Weg oben auf der Deichkrone nach Norden abgebogen bin, geht es an sumpfigen Wiesen vorbei, wo ich alle paar Meter irgendwelche Vögel aufscheue. Unter lauten Beschwerdeschreien fliegen sie einen großen Kreis um mich herum, um dann 400m vor mir wieder zu landen. Kilometer um Kilometer laufe ich an trägen Kanälen entlang und treffe keine Menschenseele. Selbst die Biber und Otter bleiben zuhause und lassen sich nicht blicken, auch wenn ihre Spuren nicht zu übersehen sind.
In alle Richtungen ist der Blick frei, im Norden beginnen erst in ca. 2 Kilometern Entfernung die Höhenzüge und der Wald, die die Wartheniederung begrenzen. Nach Westen und Osten scheint die Weite schier endlos. Seit dem Pumpwerk habe ich kein Haus und keine Straße mehr gesehen. Zusammen mit der seltsam leeren Landschaft und der undurchlässigen Bewölkung wirkt die Szenerie eher wie ein Wintertag kurz vor Jahresende als ein Frühlingstag im April. Es steht und fällt offensichtlich mit dem Einsatz der Sonne: Wenn ich mir diese Landschaft noch mit Nebel und womöglich in der Dämmerung vorstelle, könntest du im Winter gute Horrorfilme drehen, im Sommer dann kuschelige Arte-Landschaftsdokumentationen mit sanfter Erzählerstimme und Drohneneinsatz über glitzerndem Wasser.
Insgesamt werde ich auf der ganzen Strecke heute nur 6x abbiegen. Ich glaube, ich bin ewig nicht so lange geradeaus gegangen. Schon kilometerweit im Voraus sehe ich den Aussichtsturm, der mir für meine Mittagsrast hoffentlich einen kleinen Windschutz bietet. Ich verkrieche mich in seiner letzten Ecke, ziehe mir meine Jacke über und sitze zufrieden und dick eingemümmelt auf dem Holzboden. Wie weit mag wohl der nächste Mensch weg sein? Zwischendurch verbinde ich einige neue wunde Stellen an den Füßen, um mir die neuen Blasen zu ersparen, lese ein paar Seiten in meinem Buch und bin fast versucht, meine Isomatte und Schlafsack auszupacken, um auf dem Boden des Aussichtsturm Mittagsschlaf zu halten. Am Ende scheitert dieses Vorhaben im Wesentlichen an meinem Unwillen, den Rucksack dafür komplett auszupacken und an dem Gedanken an "Klamotten aus, Klamotten an".
Witnica, mein Ziel für heute, sehe ich schon gut 5-6 Kilometer vorher, was kein Trost ist. Es ist hart, sein Etappenziel schon Stunden vorher am Horizont zu entdecken und dann mit ansehen zu müssen, wie es nur unendlich langsam näher kriecht. Ich vermeide also Blickkontakt mit Witnica und hefte meine Augen stur auf den Boden, laufe dafür wieder in den Regen hinein und freue mich umso mehr auf mein Dorfhotel heute Abend.
Die Straßen von Witnica sind am Sonntagnachmittag wie leergefegt, von außen sieht mein Hotel wenig einladend aus, aber das täuscht. Das Zimmer ist so groß, daß sogar ein Sofa Platz hat. Ich dusche mir die Kälte und den Wind des Tages aus dem Leib, bis mir vor Hitze schwindelig wird, liege eine Stunde auf dem Sofa herum und esse ein vorzügliches Abendessen, das sich total mit meinen Klischees der polnischen Küche deckt: Eine tiefgrüne, leicht gesäuerte Gurkensuppe, Lendenbraten mit Rotkohl auf Steinpilzen und Graupen. Dazu gibt es Bier, das hier im Ort gebraut wird. Bevor ich schlafen gehe, operiere ich den Großteil meiner Blasenpflaster von den Füßen und bin erstaunt, wie schnell die schmerzenden Stellen der ersten Tage wieder verheilt sind. Morgen mache ich einen Tag Pause, ich freue mich schon darauf, mir eine Verschnaufpause zu gönnen. Und - so komisch es klingt - darauf, einen Tag drinnen zu verbringen.
Im südlichen Teil des Nationalparks steht das Wasser. Diverse Infotafel verkünden Großes: Neben allen möglichen Vogelarten werden Biber, Fischotter, Seeadler und ähnlich schickes Getier angepriesen. Außer tonnenweise Enten, allerlei Gänsen, Reihern und was man halt sonst noch als Nicht-Ornithologe an Wasservögeln einordnen kann, sehe ich davon -- eher nix.
Nachdem ich von dem öden Weg oben auf der Deichkrone nach Norden abgebogen bin, geht es an sumpfigen Wiesen vorbei, wo ich alle paar Meter irgendwelche Vögel aufscheue. Unter lauten Beschwerdeschreien fliegen sie einen großen Kreis um mich herum, um dann 400m vor mir wieder zu landen. Kilometer um Kilometer laufe ich an trägen Kanälen entlang und treffe keine Menschenseele. Selbst die Biber und Otter bleiben zuhause und lassen sich nicht blicken, auch wenn ihre Spuren nicht zu übersehen sind.
In alle Richtungen ist der Blick frei, im Norden beginnen erst in ca. 2 Kilometern Entfernung die Höhenzüge und der Wald, die die Wartheniederung begrenzen. Nach Westen und Osten scheint die Weite schier endlos. Seit dem Pumpwerk habe ich kein Haus und keine Straße mehr gesehen. Zusammen mit der seltsam leeren Landschaft und der undurchlässigen Bewölkung wirkt die Szenerie eher wie ein Wintertag kurz vor Jahresende als ein Frühlingstag im April. Es steht und fällt offensichtlich mit dem Einsatz der Sonne: Wenn ich mir diese Landschaft noch mit Nebel und womöglich in der Dämmerung vorstelle, könntest du im Winter gute Horrorfilme drehen, im Sommer dann kuschelige Arte-Landschaftsdokumentationen mit sanfter Erzählerstimme und Drohneneinsatz über glitzerndem Wasser.
Insgesamt werde ich auf der ganzen Strecke heute nur 6x abbiegen. Ich glaube, ich bin ewig nicht so lange geradeaus gegangen. Schon kilometerweit im Voraus sehe ich den Aussichtsturm, der mir für meine Mittagsrast hoffentlich einen kleinen Windschutz bietet. Ich verkrieche mich in seiner letzten Ecke, ziehe mir meine Jacke über und sitze zufrieden und dick eingemümmelt auf dem Holzboden. Wie weit mag wohl der nächste Mensch weg sein? Zwischendurch verbinde ich einige neue wunde Stellen an den Füßen, um mir die neuen Blasen zu ersparen, lese ein paar Seiten in meinem Buch und bin fast versucht, meine Isomatte und Schlafsack auszupacken, um auf dem Boden des Aussichtsturm Mittagsschlaf zu halten. Am Ende scheitert dieses Vorhaben im Wesentlichen an meinem Unwillen, den Rucksack dafür komplett auszupacken und an dem Gedanken an "Klamotten aus, Klamotten an".
Witnica, mein Ziel für heute, sehe ich schon gut 5-6 Kilometer vorher, was kein Trost ist. Es ist hart, sein Etappenziel schon Stunden vorher am Horizont zu entdecken und dann mit ansehen zu müssen, wie es nur unendlich langsam näher kriecht. Ich vermeide also Blickkontakt mit Witnica und hefte meine Augen stur auf den Boden, laufe dafür wieder in den Regen hinein und freue mich umso mehr auf mein Dorfhotel heute Abend.
Die Straßen von Witnica sind am Sonntagnachmittag wie leergefegt, von außen sieht mein Hotel wenig einladend aus, aber das täuscht. Das Zimmer ist so groß, daß sogar ein Sofa Platz hat. Ich dusche mir die Kälte und den Wind des Tages aus dem Leib, bis mir vor Hitze schwindelig wird, liege eine Stunde auf dem Sofa herum und esse ein vorzügliches Abendessen, das sich total mit meinen Klischees der polnischen Küche deckt: Eine tiefgrüne, leicht gesäuerte Gurkensuppe, Lendenbraten mit Rotkohl auf Steinpilzen und Graupen. Dazu gibt es Bier, das hier im Ort gebraut wird. Bevor ich schlafen gehe, operiere ich den Großteil meiner Blasenpflaster von den Füßen und bin erstaunt, wie schnell die schmerzenden Stellen der ersten Tage wieder verheilt sind. Morgen mache ich einen Tag Pause, ich freue mich schon darauf, mir eine Verschnaufpause zu gönnen. Und - so komisch es klingt - darauf, einen Tag drinnen zu verbringen.
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