9 h / 33 km
Witnica nach Gorzów Wielkopolski
Zum Frühstück gibt es wieder Ei mit Ei und Fleisch mit Fleisch. Und ein bißchen Tomaten mit Zwiebeln. Polen hat im Übrigen ein weiteres Mal mein Herz erobert, indem hier offensichtlich Tee das Standard-Frühstücksgetränk ist. Noch in Brandenburg stand gerne mal ungefragt die fertig gebrühte Kanne Kaffee auf dem Tisch, hier sehe ich erstmal nur den Wasserkocher.
Nachdem ich später Ewigkeiten brauche, um auf dem Zimmer meinen Kram wieder komplett und an die jeweils richtige Stelle im Rucksack zu packen, stehe ich erst gegen halb zehn unten und gebe meinen Schlüssel ab. Der Wirt freut sich, daß es mir bei ihm gefallen hat, läuft nochmal schnell ins Restaurant und kommt mit einer Flasche Bier wieder, die er mir zum Abschied schenken will. Die neueste Kreation der örtlichen Brauerei, die patriotischer nicht sein könnte. Polska! Blöd ist nur, daß in meinem Rucksack schon eine Halbliterdose Łomza steckt, die ich gestern Abend nicht mehr obendrauf trinken wollte. Jetzt laufe ich also mit 1.000 Gramm plus Verpackung Bier herum. So ein Shit...
Mein Weg für heute schlängelt sich durch den Wald und die kleinen Hügelchen oberhalb der Wartheniederung. Das klappt zunächst ganz gut, auch wenn ich schnell feststelle, daß die 1:100.000er-Karten, die ich mir für Polen relativ flächendeckend zugelegt habe, die meiste Zeit relativ unbrauchbar sind (dankenswerterweise haben sie auch nur 1,70 EUR / Stück gekostet). Zur groben Routenplanung geht's, aber im Gelände überprüfe ich die meiste Zeit dann doch mit der Karten-App auf dem Handy, ob ich noch richtig liege. Und ich will dazu jetzt KEINE Kommentare hören!
Sehr richtig liege ich jedenfalls in dem Moment, als der erste ordentliche Regenschauer des Tages beginnt. Praktischerweise steht hundert Meter weiter ein Aussichtsturm, auf dessen oberster Plattform ich es mir bequem mache und dem Regen zuschaue, ein bißchen telefoniere und kurz überlege, ob ich eines von den Bieren knacken soll. Lieber nicht, ich hab noch ein Stück Weg vor mir...
Eigentlich besteht der Tag nur aus:
- auf 450 kleine Hügel rauf,
- von 450 kleinen Hügeln wieder runter,
- um 287 kleine Hügel links herum und
- um 223 keine Hügel rechts herum.
Dabei mache ich zahlreiche Umwege, treffe aus Versehen sogar zwei Wanderer und obwohl ich bis zum frühen Nachmittag das Gefühl hatte, daß ich gut voran kommt, beginnt sich die Sache irgendwie massiv zu ziehen.
Das Erste, was ich Gorzów Wielkopolski sehe, ich die Müllsortieranlage, gefolgt von der Mülldeponie und dem Friedhof direkt neben und mit Aussicht auf die Mülldeponie. Spannend, wie viele Gerüche man hier gleichzeitig erleben kann. Danach geht es 3 km die Straße entlang, die die Müll-LKWs zur Mülldeponie nehmen, bis ich endlich kurz vor dem Industriegebiet abbiegen kann. Nachdem ich kein Polnisch kann, nehme ich wohl wahr, daß da irgendwas mit Baustelle steht und auch irgendwie was mit S3 (meint: die Schnellstraße S3, die ich gerne da vorne durch die einzige Unterführung weit und breit unterqueren würde).
Dem geneigten Leser wird das hämische Lachen schon in den Hals gestiegen sein: Pustekuchen. Baustelle meint in diesem speziellen Fall, daß die Unterführung nicht mehr existiert und die Herren in Orange statt dessen gerade eine Brücke über die Schnellstraße zusammenbasteln. Ich versuche den Bauarbeiter, der gerade oben über die zumindest in Grundzügen fertige Brücke läuft, mit Gesten anzubetteln, mich vielleicht doch rüber zu lassen. Aber nix... Also Umweg. Die nächste Möglichkeit ist die Anschlußstelle/Ausfahrt weiter im Norden, was nicht nur 3-4 km Umweg bedeutet, sondern auch noch angstvolles Balancieren am Straßenrand, weil auch neben der Straße alles wegen Bauarbeiten aufgerissen und umgepflügt ist und einfach kein anderer Platz zum Gehen da ist. Passenderweise ist es inzwischen auch später Nachmittag und mir rollt der Feierabendverkehr aus Gorzów Wielkopolski heraus entgegen. Bei der nächsten Gelegenheit biege ich von der Hauptstaße ab und suche mir eine Alternative, auch wenn das schon wieder einen Umweg bedeutet...
Eigentlich wollte ich schon längst da sein -- ich hatte die Strecke so auf entspannte 25 km geschätzt. Aber ich bin schon viel zu lange unterwegs und bis runter ins Stadtzentrum (wo mein Hotel für heute Abend liegt) sind es auch bei sehr freundlicher Schätzung noch locker 6-7 km. Erschwerend kommt dazu, daß ich hier schon ein paar Mal war. Mit dem Auto, wo mir die Entfernungen eigentlich ganz übersichtlich vorkamen. Ein paar Momente, und man ist aus der Stadt raus. Den Tesco am Kreisverkehr kenn ich, da stand ich mal mit dem Dodge Challenger auf dem Parkplatz und hab versucht, das Radio zu reparieren. Das verspiegelte Haus auf der Aleja Konstytucji 3 Maja (ohne es zu wissen, vermute ich: "Allee der Konstitution des 3 Mai"). Die Warthebrücke rüber zum neuen Einkaufszentrum NoVaPark, das erst vor Kurzem wie ein UFO neben der Innenstadt gelandet ist. Kenn ich alles, Spaß macht es aber heute nicht mehr. Die letzten zwei Stunden sind einfach nur Kampf (was sich auch darin wiederspiegelt, daß ich keine Lust mehr hatte, Fotos zu machen).
Im Hotel krieche ich in den 2. Stock und fühle mich vollkommen ausgelaugt. Solche Tage sind die Schlimmsten: Du erwartest Mittelmaß, vielleicht 6 entspannte Stunden -- und dann bist du 9 Stunden unterwegs, die dazu noch am Anfang schön und am Ende zum Kotzen sind.
Meine Aussicht heute Abend... |
Wenigstens endet der Tag mit der befriedigenden Gewißheit, daß ich die 1.000+x Gramm Bier morgen nicht mehr schleppen muß. Die hab ich nämlich eben beim Schreiben nebenbei abgearbeitet...
Hallo Kilian, jetzt bist du schon eine Woche unterwegs und mir tun die Füße gar nicht mehr so doll weh. �� bleib dran und mach weiter, Du schaffst es. LG Sonja
AntwortenLöschenIch sehe das ein bißchen anders. Mir tun die Füße ganz schön doll weh. Vor allem nach einem solchen Tag... aber das wird auch wieder besser.
AntwortenLöschen