Piła nach Krajenka
6,5 h / 26 km
Sonntag. Feiertag. Erster Mai. Piła ist wie ausgestorben, alle sind entweder in der Kirche oder noch im Bett. Statt dessen wurden über Nacht alle verfügbaren polnischen Flaggen zum Tag der Arbeit gehisst. Überall. Gerne auch 2-3 mehr pro Gebäude. Im Stadtpark stelle ich fest, daß die Verehrung für Jan Pawel II. (vulgo: Papst Johannes Paul II., also quasi mein Kindheitspapst) in Polen wirklich keine Grenzen kennt. Die Statue vor mir sieht fast so aus, als könnte er auch noch fliegen... Aber lassen wir das, ich bin schließlich in Polen zu Gast und halte lieber meine Schnauze.
Wieder habe ich Glück, auf der ungefähr 15 Jahre alten Wanderkarte ist ein markierter Wanderweg aus der Stadt raus eingezeichnet -- und den gibt's tatsächlich. Immer schön am Fluß entlang, elegant an Tennisplätzen und Kasernen vorbei. So langsam kommen doch die ersten Jogger, Angler, Spaziergänger raus, um den schönen sonnigen Tag zu würdigen. An der Umgehungsstraße ist der Weg unter der Brücke leicht überflutet, also hechte ich über die Leitplanken der Schnellstraße, überlebe das Manöver und bin wieder im Wald.
Der Tag ist gütig, am Fluß schlängelt sich ein kleiner Trampelpfad entlang. Nach einer guten halben Stunde biegt der Weg vom Fluß ab -- geradeaus geht es aber eigentlich immer noch auf verwunschenen Wegen weiter. Irgendwas in mir will eigentlich unbedingt weiter am Fluß wandern, aber ein Blick auf die Karte verrät mir, daß mich das nur ins Abseits bringen würde (daß diese verflucht ungenauen 1:100.000er-Karten doch nochmal zu was gut sind...).
Also Hirn ausschalten und geradeaus dem Waldweg folgen. Zur Feier des Tages grüße ich heute sogar den Radfahrer, der mir entgegen kommt (Rowerowe, rowerowe, rowerowe!). Das Universum dankt es mir mit einer höchst unerwarteten Picknickbank am Waldrand. Stiefel aus, Socken aus, Füße hochlegen. Die "Kabanosy z Wedzarni", die ich gestern bei Biedronka eingepackt habe, erweisen sich als köstlich-salziger Volltreffer und so sitze ich eine geschlagene Stunde in der Sonne, im Wind, im Wald und lese in meinem Buch. Währenddessen eiern ein paar Spaziergänger vorbei, die offensichtlich aus Gewohnheit zu dem Badesee nebenan wollen.
Irgendwann treibt es mich weiter, beim Umrunden des Sees stolpere ich über mehrere kleine Bunker aus dem 2. Weltkrieg, die im Wald versunken sind. Ob sie nun die nahegelegene Bahnlinie schützen sollten oder ob sie Teil des Pommernwalls waren, von dem ich abends im Internet zum ersten Mal lese, bleibt unklar. Ich peile statt dessen einen namenlosen Sandweg an, der schnurgerade durch den Wald nach Nordosten führt, und knipse mein Hirn aus, weil ich erst in 1,5 h wieder ans Abbiegen denken muß.
Zwischen Flurstück 110 und Flurstück 111 überrasche ich ein Reh beim Äsen und schaffe es sogar noch, die Kamera aus der Tasche zu pfriemeln. Das Tier erschreckt sich kurz darauf umso mehr, als es mich hinter sich bemerkt... Eine gute Stunde später kommt mir erstaunlichweise ein Jogger entgegen, mindestens 6 km vom nächsten Dorf entfernt. Wir heben wortlos die Hand zum Gruß und jeder zieht weiter seines Weges.
Für den nächstgrößeren See hatte ich mir eigentlich eine ausgiebige Pause vorgenommen. Erstens, weil sie fällig ist und zweitens, weil kurz nach dem See der Wald zuende ist und ich für den Rest des Tages auf der Straße laufen werde. Aber der Himmel hat sich pünktlich mit Wolken zugezogen und die zahlreichen Stege, die ich vom Hang oberhalb des Sees sehen kann, entpuppen sich als Verarsche. Die meisten sind längst verfallen und versunken, so daß ich mich mit meinen freundlich geschätzten 65 kg Gesamtgewicht (inkl. Rucksack) besser nicht auf die Planken wage. Die wenigen Stege, die nicht vermodert sind, wurden von ihren Besitzern gegen unrechtmäßige Nutzung gesichert, indem die Zugangsplanken entfernt und mit fetten Vorhängeschlössern irgendwo an einen Baum gekettet wurden. Na vielen Dank, ich hätte mich schwer auf ein bißchen Sitzen am Wasser gefreut. Dann fällt die Nachmittagspause eben aus. In Kombination mit dem plötzlich sehr grauen Wetter frustriert mich das dermaßen, daß ich mich wieder durchs Unterholz hoch zum Forstweg durchschlage und als ich aus dem Gebüsch trete, ist gerade der Jogger von vorhin an mir vorbeigelaufen, offenbar auf dem Rückweg. Er hat mich nicht bemerkt, ich bin aber nur 25 m hinter ihm und überlege für eine Sekunde, ob ich ihm noch schnell ein "Dzień dobry!" hinterher rufe, um ihn vollkommen zu verwirren.
Die nächsten zwei Stunden auf stillen Landstraßen sind reichlich eintönig. Hinter Głubczyn setze ich mich auf eine Bank neben dem Dorfsportplatz und trinke meine restlichen Wasserflaschen leer. Und es tut dabei verdammt gut, die nackten Füße in das kurze kühle Sportplatzrasen-Gras zu stellen. Während ich da so sitze, fällt mir auf, daß drüben hinter dem Hügel ständig geballert wird. Zuerst halte ich es für einen Jäger, dann eine ganze Jagdgesellschaft, dann wird aber so viel auf einmal geschossen, daß das auch nicht hinkommen kann. Neugierig mache ich mich wieder auf den Weg, der Krach kam sowieso aus meiner Richtung. Zwei Hügel weiter sehe ich 4x Dorfjugend (8-12 Jahre) am Wegesrand, die sich offensichtlich mit irgendwelchen Böllern die Sonntagslangeweile vertreiben. Wer nicht zwischen Jagdgewehren und Knallfröschen unterscheiden kann, war halt nicht beim Bund.
Als mich der Erste der Jungs entdeckt, ist Ruhe im Karton, sie schnappen sich sofort ihre Fahrräder und zuckeln ganz unschuldig den Weg entlang, so als wären sie den ganzen Tag nur spazieren gegangen. Ich beantworte betont freundlich ihr vierstimmiges "Dzień dobry!" und muß doch dabei schmunzeln...
Endlich laufe ich in Krajenka ein, hier habe ich ich im Netz ein kleines Restaurant ausfindig gemacht, das auch Zimmer vermietet. Da ich den Laden angesichts meiner kleinen Tourunterbrechung mit diversen Mails überzogen habe, sind die Mädels hinterm Tresen sofort sehr aufgeregt, als ihnen klar wird, daß da der ausländische Tourist vor ihnen steht, der kein Polnisch spricht. Noch bevor ich es mit einzelnen polnischen Vokabeln probieren kann, wird von irgendwo hinten aus dem Laden eine Kollegin geholt und alles wird gut. Mein Zimmer kostet weniger als 20 EUR, zum Abendessen bestelle ich Salat und Pizza, die beide so gigantisch reichhaltig (und gut) sind, daß der hungrige Wanderer zum ersten Mal seit Langem nicht aufisst. Auf meinem Dreibettzimmer schiebe ich mir das pritschenschmale Bett und andere seltsam platzierte Möbel noch ein wenig hin und her, bis die Einrichtung für mich passt. Draußen vor dem Fenster dröhnt die Landstraße noch ein wenig, aber als ins Bett gehe, höre ich so lange kein einziges Auto, daß ich beim Hinhören einschlafe.
Wieder habe ich Glück, auf der ungefähr 15 Jahre alten Wanderkarte ist ein markierter Wanderweg aus der Stadt raus eingezeichnet -- und den gibt's tatsächlich. Immer schön am Fluß entlang, elegant an Tennisplätzen und Kasernen vorbei. So langsam kommen doch die ersten Jogger, Angler, Spaziergänger raus, um den schönen sonnigen Tag zu würdigen. An der Umgehungsstraße ist der Weg unter der Brücke leicht überflutet, also hechte ich über die Leitplanken der Schnellstraße, überlebe das Manöver und bin wieder im Wald.
Der Tag ist gütig, am Fluß schlängelt sich ein kleiner Trampelpfad entlang. Nach einer guten halben Stunde biegt der Weg vom Fluß ab -- geradeaus geht es aber eigentlich immer noch auf verwunschenen Wegen weiter. Irgendwas in mir will eigentlich unbedingt weiter am Fluß wandern, aber ein Blick auf die Karte verrät mir, daß mich das nur ins Abseits bringen würde (daß diese verflucht ungenauen 1:100.000er-Karten doch nochmal zu was gut sind...).
Also Hirn ausschalten und geradeaus dem Waldweg folgen. Zur Feier des Tages grüße ich heute sogar den Radfahrer, der mir entgegen kommt (Rowerowe, rowerowe, rowerowe!). Das Universum dankt es mir mit einer höchst unerwarteten Picknickbank am Waldrand. Stiefel aus, Socken aus, Füße hochlegen. Die "Kabanosy z Wedzarni", die ich gestern bei Biedronka eingepackt habe, erweisen sich als köstlich-salziger Volltreffer und so sitze ich eine geschlagene Stunde in der Sonne, im Wind, im Wald und lese in meinem Buch. Währenddessen eiern ein paar Spaziergänger vorbei, die offensichtlich aus Gewohnheit zu dem Badesee nebenan wollen.
Irgendwann treibt es mich weiter, beim Umrunden des Sees stolpere ich über mehrere kleine Bunker aus dem 2. Weltkrieg, die im Wald versunken sind. Ob sie nun die nahegelegene Bahnlinie schützen sollten oder ob sie Teil des Pommernwalls waren, von dem ich abends im Internet zum ersten Mal lese, bleibt unklar. Ich peile statt dessen einen namenlosen Sandweg an, der schnurgerade durch den Wald nach Nordosten führt, und knipse mein Hirn aus, weil ich erst in 1,5 h wieder ans Abbiegen denken muß.
Zwischen Flurstück 110 und Flurstück 111 überrasche ich ein Reh beim Äsen und schaffe es sogar noch, die Kamera aus der Tasche zu pfriemeln. Das Tier erschreckt sich kurz darauf umso mehr, als es mich hinter sich bemerkt... Eine gute Stunde später kommt mir erstaunlichweise ein Jogger entgegen, mindestens 6 km vom nächsten Dorf entfernt. Wir heben wortlos die Hand zum Gruß und jeder zieht weiter seines Weges.
Für den nächstgrößeren See hatte ich mir eigentlich eine ausgiebige Pause vorgenommen. Erstens, weil sie fällig ist und zweitens, weil kurz nach dem See der Wald zuende ist und ich für den Rest des Tages auf der Straße laufen werde. Aber der Himmel hat sich pünktlich mit Wolken zugezogen und die zahlreichen Stege, die ich vom Hang oberhalb des Sees sehen kann, entpuppen sich als Verarsche. Die meisten sind längst verfallen und versunken, so daß ich mich mit meinen freundlich geschätzten 65 kg Gesamtgewicht (inkl. Rucksack) besser nicht auf die Planken wage. Die wenigen Stege, die nicht vermodert sind, wurden von ihren Besitzern gegen unrechtmäßige Nutzung gesichert, indem die Zugangsplanken entfernt und mit fetten Vorhängeschlössern irgendwo an einen Baum gekettet wurden. Na vielen Dank, ich hätte mich schwer auf ein bißchen Sitzen am Wasser gefreut. Dann fällt die Nachmittagspause eben aus. In Kombination mit dem plötzlich sehr grauen Wetter frustriert mich das dermaßen, daß ich mich wieder durchs Unterholz hoch zum Forstweg durchschlage und als ich aus dem Gebüsch trete, ist gerade der Jogger von vorhin an mir vorbeigelaufen, offenbar auf dem Rückweg. Er hat mich nicht bemerkt, ich bin aber nur 25 m hinter ihm und überlege für eine Sekunde, ob ich ihm noch schnell ein "Dzień dobry!" hinterher rufe, um ihn vollkommen zu verwirren.
Die nächsten zwei Stunden auf stillen Landstraßen sind reichlich eintönig. Hinter Głubczyn setze ich mich auf eine Bank neben dem Dorfsportplatz und trinke meine restlichen Wasserflaschen leer. Und es tut dabei verdammt gut, die nackten Füße in das kurze kühle Sportplatzrasen-Gras zu stellen. Während ich da so sitze, fällt mir auf, daß drüben hinter dem Hügel ständig geballert wird. Zuerst halte ich es für einen Jäger, dann eine ganze Jagdgesellschaft, dann wird aber so viel auf einmal geschossen, daß das auch nicht hinkommen kann. Neugierig mache ich mich wieder auf den Weg, der Krach kam sowieso aus meiner Richtung. Zwei Hügel weiter sehe ich 4x Dorfjugend (8-12 Jahre) am Wegesrand, die sich offensichtlich mit irgendwelchen Böllern die Sonntagslangeweile vertreiben. Wer nicht zwischen Jagdgewehren und Knallfröschen unterscheiden kann, war halt nicht beim Bund.
Als mich der Erste der Jungs entdeckt, ist Ruhe im Karton, sie schnappen sich sofort ihre Fahrräder und zuckeln ganz unschuldig den Weg entlang, so als wären sie den ganzen Tag nur spazieren gegangen. Ich beantworte betont freundlich ihr vierstimmiges "Dzień dobry!" und muß doch dabei schmunzeln...
Endlich laufe ich in Krajenka ein, hier habe ich ich im Netz ein kleines Restaurant ausfindig gemacht, das auch Zimmer vermietet. Da ich den Laden angesichts meiner kleinen Tourunterbrechung mit diversen Mails überzogen habe, sind die Mädels hinterm Tresen sofort sehr aufgeregt, als ihnen klar wird, daß da der ausländische Tourist vor ihnen steht, der kein Polnisch spricht. Noch bevor ich es mit einzelnen polnischen Vokabeln probieren kann, wird von irgendwo hinten aus dem Laden eine Kollegin geholt und alles wird gut. Mein Zimmer kostet weniger als 20 EUR, zum Abendessen bestelle ich Salat und Pizza, die beide so gigantisch reichhaltig (und gut) sind, daß der hungrige Wanderer zum ersten Mal seit Langem nicht aufisst. Auf meinem Dreibettzimmer schiebe ich mir das pritschenschmale Bett und andere seltsam platzierte Möbel noch ein wenig hin und her, bis die Einrichtung für mich passt. Draußen vor dem Fenster dröhnt die Landstraße noch ein wenig, aber als ins Bett gehe, höre ich so lange kein einziges Auto, daß ich beim Hinhören einschlafe.
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