Prabuty (Bahnhof) nach Iława
9 h / 35 km
Ich sitze auf dem Trockenen. In Iława habe ich auf dem Weg zum Bahnhof tatsächlich keinen einzigen Laden gefunden, um mir was zu Trinken für den Tag einzukaufen. Das Internet versprach eine Biedronka, aber die wurde offenbar in ein asiatisches Handelszentrum umfunktioniert. No joy... Aber ich muß ja sowieso nochmal durch Prabuty durch.
Am Bahnhof quatscht mit ein junger Typ nach Kohle an, nachdem alle anwesenden Einheimischen schon abgewunken haben. Natürlich bekommt er mit, daß ich Tourist bin und bleibt daher hartnäckig. Freundlich ausgedrückt wirkt er, als ob er schon viel Geschirr in seinem Leben zerschlagen hat und ihm daher jetzt ein paar Tassen fehlen. Unfreundlich ausgedrückt ist er deutlich druff, bleibt hartnäckig, so daß ich mich fast verfolgt fühle und als er mir inzwischen ein paar Minuten hinterher gelaufen ist, warte ich darauf, daß andere Leute in der Nähe sind und werde laut. Das zieht irgendwann und er macht nen Abflug.
Vor mir liegt schon wieder ein Stück von diesem grünen Wanderweg von gestern, den ich inzwischen mit größter Vorsicht genieße. Ein kleines Stück durch den Wald folge ich ihm noch, dann entscheide ich mich für die sichere Bank der Forstwege und kleinen Asphaltstraßen. Schließlich habe ich heute eine ordentliche Strecke vor mir, so daß ich keine Zeit damit verlieren will, im Unterholz rumzukraxeln.
Und so passiert der Großteil des Tages in der Sonne, zwischen Feldern, auf kleinen holperigen Straßen, die zwei Dörfer oder namenlose Ansammlungen von Häusern verbinden. Ich treffe Arbeitskolonnen, die die verwucherten Äste einer Allee bändigen, werde von Gasflaschen-Lieferwagen überholt (die alle fahren wie die Henker) und stapfe ganz allgemein einfach nur weg, was die Landschaft an Weg für mich bereit hält. Eigentlich ein Tag zum Abhaken, richtig Spaß macht das nicht. Selbst die Tatsache, daß mein Rucksack heute nur die Hälfte wiegt, bringt mich irgendwie nicht zum Fliegen. Der ganze Tag fühlt sich so an, als würde ich ihn nur laufen, um die Lücke von A nach B zu schließen. Und irgendwie ist es ja auch so.
Immerhin, in Babiety gibt es einen schönes Dorfpanorama mit (von links nach rechts) Rapsfeld, Sklep und Feuerwehr-Geräthaus. Der Dreiklang der Provinz...
Heute sehne ich mich besonders nach der in Deutschland überall vorhandenen Landschaftsmöblierung. Zuhause gibt's immer irgendwo ne Bank zum Sitzen. In Polen eher nicht. Meine klassischen Rastplätze sind Holzstapel im Wald oder irgendwelche großen Findlinge am Wegesrand. Aber hier auf diesen kleinen Dorfstraßen? Da könnte ich mich neben den Asphalt aufs Bankett setzen, dann wäre ich schön Kopfhöhe mit dem Auspuff der rasenden Gasflaschen-Lieferwagen...
Hinter Zabrowo wird's dann überraschenderweise doch noch richtig schön. Es gibt sanfte Hügel mit Rapsfeldern und - huch! - der grüne Wanderweg ist wieder da.
Ich bin mißtrauisch, aber irgendwie weiß der Grüne halt doch besser als ich, wo es lang geht. Obwohl ich ihn die letzten zwei Tage gescheut und geschmäht habe, führt er mich sicher durch das Sumpfgebiet, durch versteppte Wiesen zwischen Felder und dem See entlang, über brachliegende Felder, auf denen noch das Stroh vom letzten Jahr liegt.
Die Gewitterwolken des Nachmittags holen mich langsam ein. Den ganzen Tag lang haben sie sich offensichtlich verabredet, um ringsum am Horizont immer näher zu kriechen, während über mir eigentlich noch schönes Wetter war. Jetzt ist es offensichtlich, daß es demnächst krachen wird. Als ich gerade durch Kamionka laufe, höre ich ein komisches Knistern, das von dem Haus neben mir zu kommen scheint. Der Schäferhund, der mich gerade anbellt, scheint auch irritiert zu sein, und hält die Schnauze. Und dann hört man den Regen für einen Moment erst nur auf den Dächern der Häuser, bevor er auch unten am Boden richtig loslegt.
Mir egal! Alles, was nicht naß werden darf, habe ich sowieso "zuhause" in Iława gelassen und ICH darf heute ruhig naß werden. Bis zum Ziel ist es nur noch eine Stunde, trotzdem gebe ich Gas, denn ich möchte zumindest vom Feld runter und im Wald sein, bevor das Gewitter richtig losgeht. Es regnet heftig, über mir donnert es im Minutentakt -- Blitze sehe ich aber keine. Innerhalb von 10 Minuten ist die Welt klatschnaß, mir läuft das Wasser schon an den Armen herunter, es ist mit einem Schlag gefühlt 10 Grad kälter geworden ...
...aber ich bin glücklich. Der Wald riecht unglaublich intensiv nach Boden, Erde, Blättern und allem, was sonst noch darin ist. Die Luft ist wie gewaschen. Das Grün der Bäume explodiert förmlich und die Farbpalette ist um unzählige weitere Grüntöne erweitert. Ich laufe ganz alleine durch den Wald und höre nur das Prasseln des Regens und das Geräusch meiner Schritte in den Pfützen und habe dabei ein fettes Grinsen auf dem Gesicht. Obwohl ich keine Regenjacke trafge und daher klatschnaß bin, friere ich nicht. Heute darf ich naß werden, heute habe ich BOCK auf naß werden.
Nach einer guten halben Stunde ist der Donner weitergezogen und der Spuk vorbei, an der Landstraße fröstelt es mich dann doch ein wenig und ich ziehe mir was Warmes über. Ich freue mich auf eine heiße Dusche und kurz bevor ich in meiner Taverne einlaufe, beginnt es gerade wieder zu regnen. Alle Stadtbewohner huschen ins Trockene, ich hingegen zügele meine Schritte und genieße die letzten paar Meter. Der freundliche Kellner von gestern Abend hockt rauchend unter dem Vordach und muß leicht grinsen, als ich klatschnaß mit den Händen in den Hosentaschen angeschlendert komme. Er drückt mir das Paket aus der Heimat in die Hand, das Otti vor ein paar Tagen losgeschickt hat und ich muß kurz darüber schmunzeln, wie aus einem doofen "Erledigungstag" am Ende doch noch ein klasse Tag geworden ist.
Hallo, lieber Kilian, herzliche Gruesse! Ich verfolge Deine Wanderung allabendlich und freue mich ueber das Bild von Dir,wie Du klatschnass, mit Haenden in den Taschen an Deiner Taverne einlaeufst... Alles Gute weiterhin! Gruss, Biene
AntwortenLöschen